Kannst du die Körpersprache deines Pferdes lesen? Wie würdest du es interpretieren, wenn du auf der Koppel auf dein Pferd zugehst und es plötzlich wegschaut. Denkst du, es ist abgelenkt oder gar respektlos? Oder angenommen, es beginnt zu gähnen, ist es dann müde oder eher gelangweilt? Oder wenn es sich extrem langsam vorwärts bewegt, ist es dann faul? All das sind starke Hinweise von unseren Pferden, aber verstehen wir sie auch richtig? Oft werden diese kleinen Signale fälschlicherweise als Ungehorsam oder Widerstand interpretiert.
Pferde sind stumme Lebewesen, aber ihre Sinne sind um einiges schärfer als unsere. Das sollte uns in jeder Situation bewusst sein. Egal ob wir neben unserem Pferd stehen oder in seinem Sattel sitzen. Jeder von uns weiß, wie eindeutig die Kommunikation untereinander in der Herde erfolgt, aber leider übersehen wir oft die feinen, minimalen Gesten. Sei es aus Unwissenheit oder weil einfach die Zeit oder die Bereitschaft fehlt, genau hinzuhören. Aufgrund unserer Intelligenz halten uns zwar für „die Krone der Schöpfung“, nehmen uns aber viel zu wenig Zeit zu beobachten, uns einzufühlen und wahrzunehmen.
Pferdebotschaften für Beruhigungssignale
Pferde sind in der Lage ein sehr breites Spektrum an Information beruhigender Signale zu vermitteln. Das kann beispielsweise Wegschauen, seitliche Ohren, Gähnen, Strecken, Lippenlecken oder Fressen sein. Sie zeigen diese Signale zeigen, wenn sie Stress bekommen und Stress „auflösen“ wollen. Nicht nur bei sich selber, sondern auch dem Pferd oder Menschen gegenüber. Die Botschaft dahinter lautet „Bitte senke deinen Stresslevel – dein Energielevel ist zu hoch für mich“!
Und was machen wir Menschen gerne? Wir ziehen unsere Pferde am Halfter zurück und zwingen sie in unsere gewünschte Position. Wir ignorieren ihre Botschaft und erhöhen stattdessen einfach unsere Lautstärke, weil wir der Ansicht sind, dass sie uns nicht zuhören. Mittels Lautstärke in unserer Stimme (was leider in der menschlichen Natur liegt), oder „Lautstärke“ in unserem Handeln.
Wie geht es denn eigentlich uns damit, wenn wir auf Menschen treffen, die laut oder aggressiv sind? Also ich neige erstmal dazu mich etwas zur Seite zu drehen um aus „der Schusslinie“ zu kommen und betreten wegzuschauen. Für mich persönlich ist es ein richtiger Horror, wenn mich ein aggressiver Mensch bedrängt oder gar lautstark zu schreien beginnt. Nun, die Menschheit ist aber leider so, lieber wählen wir Aggression und beginnen Kriege. Aber ist das eine angemessene Reaktion eines guten Pferdemenschen? Definitiv nicht, denn auf lange Sicht werden wir einen Kampf mit mehreren 100 kg Lebendgewicht immer verlieren.
Bewusstes, richtiges Atmen
Also sollten wir damit beginnen, Vertrauen in unser Pferd aufzubauen, indem wir lernen, diese Signale zu respektieren oder sogar zu belohnen. Eine tolle Methode Stress zu reduzieren, ist sich unseres Atems bewusst zu sein. In unserem Training arbeiten wir sehr stark mit unserem Atem: Einatmen – um unser Pferd in eine schnellere Gangart zu bringen, Ausatmen – um es in eine langsamere Gangart zu bringen, tief und ruhig Atmen – um eine friedvolle und einladende Stimmung um uns zu schaffen. Noch ein großer Vorteil: wer tief ein- und ausatmet, kann nicht quasseln, sondern einfach nur still sein und seine eigene Aura erspüren. Die Verwendung unseres Atems ist ein unglaublich starkes Hilfsmittel, auf das alle Pferde achten, viel mehr, als wir ahnen.
Jedes Pferdetemperament zeigt Signale anders
Es braucht einige Zeit – vor allem eine ruhige Zeit – bis wir die Körpersprache unseres Pferdes lesen lernen. Abhängig von ihrem Temperament (plus die Erfahrungen aus ihrer Vergangenheit) sind sie recht unterschiedlich. Der verschlossene Melancholiker zeigt beim Abholen von der Koppel wahrscheinlich sehr wenig Signale, aber das können wir fördern, indem wir ihn für überschwänglich belohnen. Ihn damit einladen, mehr mit uns zu kommunizieren. Der panische Choleriker wird unter Umständen sehr dankbar darauf reagieren, wenn man beim ersten Anzeichen seiner Beruhigungssignale einfach stehen bleibt und Abstand hält. Vielleicht sogar ein Stück rückwärts geht, um ihm mehr Raum und letztendlich Frieden anzubieten. Wie lange es wohl dauert, bis er den Blick wieder zu dir richtet und du deinen Weg weiter fortsetzen kannst? Ich wette, nicht sehr lange. Probieren geht hier über Studieren!
Aus diesem Grund geben wir unseren Pferden vor der Freiarbeit im Roundpen auch immer mehrere Minuten Zeit, bevor wir mit den Aufgaben beginnen. Eine wertvolle Zeit, um unser Pferd zu beobachten, wahrzunehmen und zu lesen. Es ist nun mal so: die Grundlagenarbeit für eine gute Kommunikationsfähigkeit können wir nur vom Boden aus erlernen, damit wir mit einem besseren Verständnis reagieren können. Und diese Erfahrungen dann parallel vom Sattel aus für ein harmonisches Miteinander weiter anwenden können.
Wir wünschen euch viel Spaß beim Beobachten eures besten Freundes!
Aus Liebe zum Pferd,
Eure Ranchgirls