Unser Erfahrungsbericht über einen einwöchigen NHS Kurs „Monty`s Special Training“
„Sich zu bilden heißt, lernen zu wollen, wie alles geschieht“, wussten schon die alten griechischen Philosophen. Für uns ein ständiges Credo, sind wir als Horsemanship-Trainer regelmäßig, weltweit auf den Spuren spannender Pferdemenschen unterwegs, um permanent weiteres Wissen aufzunehmen. Teil 1 unserer aktuellen Reise, führt uns in das Monty Roberts International Learning Center in Solvang, Kalifornien.
Aber zunächst heißt es einmal: Komfortzonen überschreiten. Denn nach einem anstrengenden Langstreckenflug auf einem der größten Flughäfen der Welt einen Mietwagen zu übernehmen und in das nächste Motel zu fahren, um sich auszuschlafen – ja – das ist schon mal eine eigene Herausforderung! Am nächsten Tag nach dem Frühstück fühlen wir beide uns wie im Film „Thelma & Louise“: in einem urgemütlichen Chrysler cruisen wir über Highways in das sonnige Hinterland Kaliforniens, die Adresse im GPS führt uns nach Solvang, zur berühmten „Flag is up Farms“. Die lange Zufahrtsstraße zu seiner Farm ist von einer imposanten Baumallee gesäumt, gleich daneben befinden sich riesige Pferdekoppeln. Während wir hier entlangfahren, sehen wir zahlreiches Wild auf seinem Gelände herumlaufen, welches zwar keine Angst hat, aber auch nicht zahm ist.
Monty Roberts ganz persönlich
Es gibt #grossartigepferdemenschen, die eine ganz besondere Aura ausstrahlen! Vor dem Schulungsraum steht Monty Roberts und kommt freudestrahlend auf uns zu, um uns zu begrüßen. Aus seinem Alter macht er kein Geheimnis, mittlerweile 84 Jahre alt, geht eine starke Energie von ihm aus: freundlich und selbst kontrolliert, seine stahlblauen Augen haben einen durchdringenden Blick. Man merkt sofort, er ist ein energischer Mensch, ein Blick auf die Uhr reicht und es geht pünktlich los. Jeder Tag dieser Woche beginnt mit einem theoretischen Teil, wo Monty Roberts über die jeweiligen Themen, das geplante Programm und Abläufe bzw. Übungen spricht. Wir merken in jedem Themen-Block, wie intensiv er sich mit Pferden auseinandersetzt. Wie viele Gedanken er sich über traumatisierte Pferde und ihre Besitzer in seinem Leben gemacht hat. Sein all durchdringender Wunsch dahinter, diesen Tieren zu helfen und Besitzern jede Art von Gewalteinwirkung abzugewöhnen. Und uns nach dieser Woche als veränderte, positivere Menschen in die Pferdwelt zu entlassen.
Wenn große Männer Emotionen zeigen
Gleich am ersten Tag erfahren wir von einem sehr berührten Monty Roberts eine traurige Geschichte: Vor über einem Jahr hat eines der frei herumlaufenden Rehe Drillinge bekommen. Üblicherweise ist es bei Zwillingen schon schwierig, dass beide Jungtiere gut entwickelt aufwachsen, bei Drillingen ist es allerdings unmöglich, dass alle drei Jungtiere überleben. Das dritte Tier war ein winziger Rehbock im Miniaturformat. Anstatt der Natur freien Lauf zu lassen, beschloss Monty Roberts, sich um eben genau dieses Tier zu kümmern. Da er ein besonderes Naheverhältnis zur englischen Queen, Elizabeth II hat, bat er sie um einen schönen Namen. Es wurde ein „Benni“ daraus – er war überrascht über diesen sehr einfachen Namen. Doch sie leitete den Namen von „Benediction“ ab, was übersetzt so viel wie „Der Gesegnete“ bedeutet und so befand er ihn für würdig. Er zeigte uns eine Fotomappe mit vielen Bildern der Aufzucht, wie sich Benni sogar in seinem Haus aufhielt, wie er mit ihm spazieren ging und allerlei lustige Schnappschüsse. Leider ist Benni in der Vorwoche vor unserer Ankunft gestorben, denn dieser kleine Rehbock hatte ein sehr schwaches, unterentwickeltes Herz. Es wäre nicht Monty Roberts, wenn er das Verhalten dieses Fluchttieres nicht genauestens beobachtet und analysiert hätte. So war es tatsächlich ein Segen, denn er konnte während der 14 Monate Lebensdauer viele neue und wertvolle Schlüsse ziehen. Unter anderem, wie extrem stark ein Fluchttier eine emotionale Verbindung zu einem Menschen aufbauen kann. Nie hätten wir angenommen, dass uns Monty Roberts so tiefe Einblicke in sein verletztes Herz gewährt.
Sicher in der Praxis
Wir tragen Reithelme bei allen Übungen, die wir im Roundpen oder in der Reithalle am Pferd absolvieren. Monty Roberts stellt jede Aufgabe vor und erklärt, worauf zu achten ist. Gestartet wird mit seinem berühmten „Join-up“ im Roundpen. Der Ort, wo er den Dialog mit dem Pferd auf partnerschaftlicher Ebene entwickelt, den er als junger Mann bei der Beobachtung der wilden Mustangs in der Hochwüste beobachtet hat. Hier heißt es bereits gut aufpassen, denn später werden auch wir unter seinen kritischen Augen ein „Join-up“ durchführen. Jeder minimale Grad Abweichung zu viel in unserer Körperhaltung wird von ihm gnadenlos aufgedeckt und infolgedessen die Reaktion des Pferdes erklärt. Wir freuen uns über anerkennende Worte und Lob von ihm, da er sofort bemerkt, dass wir mit dieser Arbeit sehr vertraut sind. Selbstverständlich auch über kritisches Feedback, denn schließlich wir sind hier um zu lernen!
Wir verfolgen den Ablauf einer kompletten „Join-up“ Kette, wo das junge Pferd desensibilisiert und an Zaumzeug, Sattel, Reiterdummy „Ardelle“ (wie sie Monty liebevoll nannte) bzw. schlussendlich an den Reiter gewöhnt wird. Wir lernen den richtigen Einsatz des Dually Halfters kennen und den korrekten Umgang mit der Doppellonge. Wir erfahren von der Hufschmied-Koryphäe Ada Gates über wichtige Faktoren für den korrekten Hufbeschlag. Sie war die erste und berühmteste weibliche Hufschmiedin in den USA, wir lieben sie sofort für ihr offenes, sehr lautes Lachen.
Die Themenbereiche der Woche sind sehr komplex: Theorie- und Praxis wechseln immer wieder ab, dabei geht es inhaltlich auch um weitläufigere Themen wie zB. korrekte Bauchatmung, Anti-Aggressions/Wut Übungen, Kontrolle über den eigenen Herzschlag, Wissen und Einsatz unserer Körpersprache. Wir lernen unterschiedliche Yogaübungen, um innere Ruhe zu entwickeln, uns zu stabilisieren und zu stärken. Diese Übungen richtig vor dem Reiten praktiziert, helfen uns in unserem Inneren vorbereitend zu sammeln und auf das Pferd zu übertragen – ergo uns zu synchronisieren.
Monty Roberts verbringt fast 90% der Zeit in dieser Woche mit uns. Auch in der Mittagspause sitzen wir mit ihm zuhause auf der großen Terrasse seines Hauses mit fantastischem Blick über seine Ranch und plaudern über Dies und Das. Sogar einen kleinen Rundgang haben wir erhalten – der gemütliche Saloon mit Bar und Billardtisch gefällt uns besonders.
Kommunikation mit Mustangs
Die Arbeit mit unberührten Wildpferden ist ein spannender Bereich für uns, selten haben wir in unserem gewohnten Umfeld die Möglichkeit dazu. Sie sind absolut roh und noch nicht einmal halfterführig. Zunächst werden sie in seiner Ranch in einem „Gentling Pen“ an Begrenzungen und Berührungen gewöhnt. Ihre erste Aufgabe ist, in eine schmale Einfriedung hineinzulaufen und dort ruhig stehenzubleiben. Laufen sie hinein, werden langsamer oder bleiben stehen reagieren wir mit einer tiefen Bauchatmung. Laufen sie hinaus, reagieren wir mit einer schnellen, flachen Brustatmung. Es klingt unglaublich, aber das neue Wissen über die richtige Atemtechnik in der Praxis angewendet, beweist, wie wir die Bewegungen dieser Pferde steuern können. Nachdem die Mustangs die Einfriedung als angenehmen Rückzugsort identifiziert haben, schließen wir die Tore und arbeiten mit einem künstlichen Arm an der Desensibilisierung von Hals, Rücken und Beinen. Die Gewöhnung erfolgt dabei immer paarweise, ein junges Pferd wird mit einem bereits erfahrenen Pferd zusammengespannt. Nach positiven Ergebnissen werden die sensiblen Tiere wieder entlassen. Wir stellen fest, dass diese Arbeit wohl eine längere Zeit in Anspruch nehmen wird und dieser Tag nur einen kleinen Puzzle Stein ihrer Ausbildung darstellt.
Stolz holt Monty Roberts den mittlerweile 26-jährigen Mustang Methusalem „Shy Boy“ von der Koppel, bekannt aus seinem Buch „Shy Boy: Gespräche mit einem Mustang“. Während eines dreitätigen dramatischen Ritts konnte er das Vertrauen des kleinen Mustangs gewinnen und sich mit ihm verbinden. Wir sind sehr dankbar, beide Legenden persönlich kennengelernt und erlebt zu haben.
Unser Fazit:
- Der persönliche Einsatz von Monty Roberts und seinem Co-Trainer Team waren unübertrefflich und sehr herzlich
- Wir lernten ihn, in dieser Woche als jemanden kennen, der rund um das Thema Pferd mit großer Leidenschaft beseelt ist
- Der Unterricht dauerte oft wesentlich länger, als geplant
- Wir fühlten uns weniger als Studenten, sondern mehr als Teil des Teams und konnten sehr viel „hands-on“ mit den Pferden arbeiten
- Monty Robert`s Englisch war großartig zu verstehen, wir konnten aufgrund seiner Wortwahl und Satzkonstellation mühelos kommunizieren
- Fragen an ihn waren jederzeit willkommen und wurden ausgiebig behandelt
- Die Teilnehmergruppe von ca. 20 Personen, war international vertreten und gut überschaubar – wir konnten viele neue Freundschaften knüpfen
- Obwohl August, war das Wetter perfekt, morgens einen leichten Sweater, ab Mittag reichte ein T-Shirt
- Reithelme als Sicherheitsvorkehrung sind Pflicht – es gibt genügend vor Ort zum Ausleihen
- Da man sowieso nie auslernt, war das wieder eines unserer Highlights bei und mit Monty Roberts
Aus Liebe zum Pferd, Eure Ranchgirls