„Try to feel the horse“ – aber wie geht das?

von Jul 6, 2019

Tom Dorrance beschreibt in seinem Buch „True Unity“ – eine der Bibeln aller Pferdemenschen – wie man als Basis für eine gute Mensch-Pferd Beziehung versuchen muss, Pferde zu fühlen. Er war einer der ganz großen Begründer des modernen Natural Horsemanship und hat vielen Menschen mit ihren Pferden geholfen. Aber wie schwierig erscheint es beim Lesen, den einfachen Worten eines Cowboys zu folgen und sie auch zu verstehen.

Sein Fazit ist, das man nicht einfach mit Standard Reaktionen auf ein Pferd reagieren kann. Im Gegenteil, er beschreibt, wie man als Trainer – und das sind wir als Pferdebesitzer rund um die Uhr – auf unterschiedliche Situationen reagieren muss. Wie wir lernen müssen, uns auf unser Gefühl zu verlassen, das tief aus unserem Inneren kommen soll. Tom Dorrance hat versucht, vielen Menschen Richtungen zu weisen, sie zu unterstützen und zu ermutigen. Aber seiner Meinung nach konnte dieses Gefühl nur von der jeweiligen Person selber kommen, auf das sie sich während ihrer Arbeit verlassen soll.

Wo beginnt gute Horsemanship?
Letztens konnten wir eine interessante Beobachtung machen. Eine Bekannte wollte uns ihre Fortschritte bei der Bodenarbeit mit ihrem Pferd demonstrieren. Sie zeigte zahlreiche einstudierte Übungen mit ihrem Pferd, in die sie ohne Zweifel viel Zeit investiert hatte. Allerdings ohne auf die Reaktionen des Pferdes zu achten. Ihr Pferd spulte die Aufgaben zwar ab, reagierte jedoch mit angelegten Ohren, schnappte nach ihr, versuchte sie zwischendurch zu verdrängen und konnte kaum eine Sekunde stillstehen. Nach jeder Übung drehte sich die Pferdebesitzerin nach uns um und lächelte uns zu. Sie war der Meinung, alles richtig gemacht zu haben.

Ich denke, es ist der ganzheitliche Blick, den Tom Dorrance so gut beschreibt. Er hat unendlich viel recherchiert, um das Wort „feel“, also Gefühl, für uns zu beschreiben. Keine der Definitionen hat ihn wirklich befriedigt. Er beschreibt es als grundlegendes Gefühl für „mind, body and spirit“, also Gefühl für Gemütszustand, Körper und Geist. Ich würde noch das Verständnis für die Natur und Instinkte des Pferdes hinzufügen, aber sicherlich hat der schlaue Pferdeflüsterer das ohnehin in seinen Worten miteinbezogen.

Er versucht uns in dem Buch zu ermutigen, unsere Pferde nicht nur zu reiten, sondern ein Fundament vom Boden aufzubauen. Denn wenn das Zusammenspiel vom Boden aus nicht funktioniert, wird NICHTS mit dem Pferd funktionieren. Am Boden können wir anfangen zu arbeiten und es geistig dort abholen, wo es gerade steht: vielleicht versteht es uns nicht, vielleicht ist es aber auch total gelangweilt oder einfach nur beunruhigt.

In seinem Buch bemerkt er kritisch an, dass die meisten Pferdebesitzer genau das Gegenteil machen: Sie arbeiten nicht daran, wo das Pferd gerade steht, sondern daran, wo sie selber gerade stehen. Oder sind auf der Suche nach einer schnellen Quick-Fix-Lösung für ein spezielles Problem. Mein Pferd macht dies oder das – und in den Augen der Besitzer war es immer die Schuld des Pferdes. Viele seiner Kunden befanden sich rein auf der oberflächlichen Suche nach der einen Antwort.

Lerne dein Pferd zu lesen
Listen to your horse“ – dieser Satz stammt ebenfalls von Tom Dorrance, wir haben ihn schon unendliche Male von professionellen Pferdetrainern gehört, zuletzt auch auf unserer Tour #ranchgirlsontheroad. Pferde können ihre Emotionen so deutlich mit ihrer Körpersprache ausdrücken. Es gibt so viele Anzeichen darüber, wie sie sich tief in seinem Inneren mental fühlen. Aber wir müssen lernen, das zu erkennen und zu fühlen.

Währen der Freiarbeit im Roundpen mit meinem Pferd Dookydoo kann ich genau spüren, wo ich ihn geistig abholen muss. Mit seinem verspielten und neugierigen Temperament lege ich zwischen unseren Übungen immer wieder Spaßeinheiten für ihn ein. Lange Pausen langweilen ihn schnell, er liebt es beschäftigt zu werden. Dann laufen wir beispielsweise im Slalom um Pylonen herum, wo er vor Freude zwischendurch den Kopf in die Höhe wirft und kleine Luftsprünge einbaut. Es ist der klassische Übermut, wobei er sehr genau aufpasst, mich nicht mit seinen Hufen zu berühren. Lässt er einmal eine Pylone aus, bestrafe ich ihn nicht mehr so wie früher, indem ich ihn strengen Blickes sofort nochmals um das Hindernis schicke. Das hat bloß dazu geführt, dass ich mich geärgert habe und Dookydoo verunsichert war. Mein Gefühl sagte mir, dass ich eine neue Strategie entwickeln musste: heute tue ich einfach so, als ob ich das Hindernis absichtlich nicht gefordert hätte. Dann blickt er verwundert zu mir und fragt mit seinem Blick und seinen Ohren: „Echt jetzt, war das jetzt wirklich richtig?“ Mit einem Lächeln auf den Lippen antworte ich „Ja“ und wir arbeiten frohen Sinnes weiter.

In unserem Online-Trainingsprogramm legen wir großen Wert darauf, ein „Gefühl“ für unser Pferd zu entwickeln. Wir zerlegen es sogar in direktes und indirektes Gefühl. Spätestens hier ist es einfach zu verstehen und zu erlernen. All das dauert seine Zeit und funktioniert nur, wenn man ohne Angst, selbstsicher und mit Freude an diese Zusammenarbeit herangeht. Wie ein einer echten Beziehung zu unserem Lebenspartner!

Wir wünschen euch viel Spaß mit eurem besten Freund!

Aus Liebe zum Pferd,
Eure Ranchgirls