China – im Land der „Pferde des Himmels“

von Feb 22, 2020

Wer je das große Glück empfunden hat zu wissen, wie es sich anfühlt, sich mit seinem Pferd zu synchronisieren und es mit sanftem Gefühl zu leiten, kann richtiggehend süchtig danach werden. Auf unserer ständigen Suche nach neuem Wissen, wollten wir unsere China Reise mit dem Besuch eines wahren Pferdemenschen kombinieren. Nach einem kurzen Briefing unseres Kontaktes vor Ort, was uns wichtig sei (Historie, typische Pferderassen, Horsemanship Training, etc.) wurden wir in einen Reitstall in Yunnan, Kunmin eingeladen und ein Dolmetscher bereitgestellt.

Die Volksrepublik China hat eine unglaublich lange Tradition: Sie geht tausende Jahre zurück und ist eine der ältesten Zivilisationen auf dieser Welt. Die chinesischen Kaiser erkannten: ein gutes Pferd entschied in der Schlacht über Sieg oder Niederlage. Aus diesem Grund hatte es für die Machthaber sehr früh einen hohen Stellenwert. Pferde findet man beispielsweise im chinesischen Horoskop, auch in der chinesischen Kunst sind sie ein beliebtes Darstellungsobjekt.

Heutzutage ist es so, dass die wachsende, wirtschaftlich besser situierte Mittelschicht den Reitsport wieder kultiviert. Er erfreut sich sogar einer nie dagewesenen Beliebtheit, enorme Geldbeträge werden in moderne Betriebe mit mehreren Reithallen investiert.

#ranchgirlsontheroad
im Land des roten Drachens

Entweder wurde das Briefing falsch übersetzt oder man wollte uns beeindrucken, aber zu unserem Erstaunen landeten wir genau in so einem tip top gepflegten Dressur/Spring-Reitstall. Nach einer Führung durch eine wunderschöne Anlage mit hellen, großen Boxen und viel Einstreu (so hoch – da lacht das Pferdebesitzer Herz), folgte die nächste Überraschung. In der Boxen standen ausschließlich europäische Pferde, vorrangig Hannoveraner. Selbstverständlich wurde ich eingeladen, ein Pferd zu reiten, worüber ich mich sehr freute!

Danach setzten wir uns beim traditionellen Tee auf die Terrasse, um eine Reitstunde am Springplatz zu beobachten. Der Reitlehrer gab seinen Schülern strenge, abgehackte Instruktionen und sparte nicht an Tadel. Mir fiel speziell ein sehr lauter, wild gestikulierender, rauchender Mann am Eingang zum Reitplatz auf. Ein Stallmädchen kam aus dem Stall und brachte ihm das gesattelte Pferd. Nachdem er die Zigarette lässig auf den Boden geschnippt hatte, stieg er mit einem Plumps in den Sattel. Er begann das Pferd am Hufschlag im Schritt zu reiten, wobei er permanent an den Zügeln zog und es mit den Sporen bearbeitete. Nach 15 Minuten versuchte er das Pferd zu traben, es wehrte sich jedoch beständig gegen den Zügel. Sofort ritt er zum Tor und verlangte von dem Mädchen herrisch nach Hilfszügeln, die von ihr angebracht wurden. Nachdem der Kopf des Pferdes in der gewünschten Position fixiert war, setzte er sein „Training“ fort, zog jedoch weiterhin stark am Zügel.

Mein Flashback

Da ich als einzige „Langnase“ – äh Europäerin in dem Stall auffiel, richtete er zwischendurch immer wieder seinen Blick auf mich, als ob er um Bestätigung für sein Vorgehen suchte. Zuerst war ich irritiert, dann entsetzt. Es erinnerte mich an meine Jugend!

Wie oft übernahm ich in meiner Reitstunde, ein bereits vorbereitetes Pferd, aus der Mitte der Bahn. Während des Unterrichts erhoffte ich von meiner Mutter an der Bande Aufmerksamkeit und Beifall. Bei der Autofahrt nachhause folgte eine Nachbesprechung, wo ich hören wollte, wie gute Fortschritte ich schon gemacht hatte. Das Pferd hatte ich zwar „lieb“, aber vom Boden aus war es mir aufgrund seiner Größe dann doch nicht ganz geheuer. Jahre später waren es die Stallfreundinnen an der Bande, denen ich beweisen wollte, wie gut ich war. Die Nachbesprechungen und Ausreden für meine Schwächen lauteten in etwa so: „Imperator“ war wieder so stur, er hat mich nur veräppelt. „Filou“ so nervig, furchtbar hart im Maul. Und „Ellie“ so dermaßen rossig, dass sie super abgelenkt war und ich sie deshalb überhaupt nicht in die Ecke reiten konnte.

Ranchgirls Credo: alles hinterfragen

NIE habe ich damals hinterfragt, wie die Schulpferde gehalten wurden. Wie oft sie auf die Koppel durften (nie). Wofür ich Handschuhe beim Reiten brauchte (gegen Blasen auf den Händen). Wie ich die Gerte richtig gebrauchen sollte (setz dich gefälligst durch). Warum der Reitlehrer in der Mitte der Halle immer nur brüllte und Fragen für mich kryptisch beantwortete (kein Kommentar). Ich kannte es nicht anders und dachte, dass alles so seine Richtigkeit hatte. Ich hoffe inständig, dass heute nicht mehr so unterrichtet wird und beim Pferdetraining mehr Augenmerk auf das Lebewesen und Tierwohl gelegt wird.

Wir möchten an dieser Stelle ein inspirierendes Video anführen: „Der Weg des Pferdes“ -> hier geht’s zum Video!
Es handelt von einer Pferdetrainerin, die ALLES hinterfragt hat! Sie hat Ihren Job aufgegeben, ihre Ranch verkauft und großartige Pferdemenschen auf der ganzen Welt besucht, um echte Antworten auf ihre Fragen zu bekommen.
Dieses Video hat uns bei der Gründung unserer Online-Trainingsplattform www.ranchgirls.at maßgeblich beeinflusst! Denn wir sind der Meinung, der Virus für einen sanften und verständnisvollen Umgang mit Pferden kann nicht oft genug verbreitet werden. Für das große Glück, sich mit seinem Pferd zu synchronisieren und mit sanftem Gefühl zu leiten.

Aus Liebe zum Pferd,
Eure Ranchgirls